Scrabble-Szene: Der Separationsküster und der Lexomant

Beim Scrabble-Spiel entstehen „Separationsküster“ und „Lexomant“. Ein sprachphilosophischer Disput über Geschichte und Zukunft, Trennung und Einheit, Logik und Vision – mehr als nur ein Spiel.

Es war ein ganz normales Scrabble-Spiel – bis ich das Wort legte.
Separationsküster.“
Die Steine klickten ins Brett, das Wort lag da wie eine kleine Provokation. Stolz blickte ich auf die vielen Punkte.

Mein Gegenspieler runzelte die Stirn.
„Du weißt schon, dass nur echte Wörter erlaubt sind?“

Ich lächelte. „Mag sein. Aber hör zu. Erstens: Es gibt eine Vereinigungskirche. Zweitens: Ohne Gegensatz bleibt so etwas bedeutungslos – also braucht es zwingend auch eine Separationskirche. Und drittens…“ Ich machte eine kleine Pause, senkte die Stimme und setzte nach: „…keine Kirche ohne Küster.“

Mein Gegenüber blieben die Worte im Hals stecken. Er hätte protestieren können, aber diese letzte Wendung – so schief sie war – machte das Ganze nur noch überzeugender.
„Verdammt“, murmelte er, „das ist so schief, dass es schon wieder genial ist.“

Ich legte nach: „Schau doch in die Geschichte. Paulus und Petrus – das erste große Schisma, ohne das sich das Christentum vielleicht nie ausgebreitet hätte. Luther und die Reformation – eine Trennung, die nicht Schwächung, sondern Erneuerung brachte, sowohl für die Protestanten als auch für die katholische Kirche. Spaltungen schaffen Schärfe. Trennungen geben der Einheit erst Gewicht. Die Vereinigungskirche braucht ihre Schwester, die Separationskirche. Und was wäre sie ohne ihren Küster?“

Mein Gegner knirschte mit den Zähnen, aber er musste nicken. Die Logik war nicht zu schlagen.

Doch er wollte nicht klein beigeben. Mit beinahe zeremonieller Ruhe legte er seine Steine. „Sieh mal hier: Lexomant.“

Ich zog die Augenbrauen hoch. „Lexo… was?“

Er sah mich ernst an. „Lexomant. Noch gibt es ihn nicht. Aber er wird kommen. In einer Welt, die von Texten überschwemmt wird, braucht es Menschen, die in Schriften lesen wie andere im Kaffeesatz. Wahrsager der Worte. Deuter der Zeichen. Propheten der Sprache. Der Lexomant wird eines Tages unverzichtbar sein. Und wenn er kommt, muss sein Name schon da sein.“

Ich musste lachen, doch zugleich packte mich die Überzeugungskraft seiner Begründung.
„Also“, sagte ich langsam, „wo ich die Leere der Vergangenheit gefüllt habe, füllst du die Leere der Zukunft.“

Er nickte zufrieden. „Genau. Du hast dein Wort aus der Logik der Geschichte gewonnen. Ich meines aus der Logik des Kommenden. Und dieses Brett ist nur die Spielwiese, auf der wir Sprache selbst verhandeln.“

Wir sahen auf die Steine, die dazwischenlagen: Separationsküster und Lexomant. Und plötzlich war klar: Dieses Scrabble-Spiel war längst kein Spiel mehr. Es war ein kleiner sprachphilosophischer Disput, ein Wettstreit zwischen Logik und Vision, zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Vielleicht, dachten wir beide im Stillen, war das der Beginn einer neuen Tradition: sich zu treffen, nicht um Punkte zu zählen, sondern um Wörter zu erfinden, sie zu verteidigen – und Sprache ein Stück weiterzuschreiben.


Randdestillat: Ein Blick ins Jahr 2045

In der kleinen Gemeinde der Separationskirche Hedenhausen findet heute eine besondere Zeremonie statt. Gefeiert wird eine Scheidung. Zwei Menschen kommen überein und finden große Einheit darin, dass ihre Ehe so nicht weiterläuft. Es ist ein Fest, eine Würdigung dessen, dass man sich einvernehmlich entschlossen hat, diesen Schritt zu gehen.

Neben dem religiösen Umbau der Separationskirche sind solche Feste besondere Erlebnisse. Sie zeigen, dass Separation kein zerstörender Prozess ist, sondern ein heilender. In Hedenhausen spricht man schon lange nicht mehr von „Scheidungsschmerz“, sondern von „Scheidungssegen“. Die Separationskirche hat ein Ritual entwickelt, das Menschen darin bestärkt, Abschied als Neuanfang zu begreifen – nicht als Ende, sondern als bewussten Schritt in die Freiheit.

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