Immer wieder bin ich aufs Neue beeindruckt, wie manche Tierarten nicht nur instinktgetrieben agieren, sondern scheinbar aus Freude und ästhetischem Empfinden heraus handeln. In diesem Artikel möchte ich aufzeigen, welche erstaunlichen Beispiele es dafür gibt – und was wir daraus über die Tiefe tierischer Kognition lernen können.
1. Freude am „Schönen“ unter Wasser: Delfine und ihre Blasenringe
Bottlenose-Delfine (Tursiops truncatus) erzeugen durch präzises Flossenschlagen stabile Lufttunnel, in die sie Luftblasen einblasen. Die so entstandenen „Bubble Rings“ bleiben als perfekt geformte Kreise erhalten, mit denen die Delfine kunstvoll spielen: Sie stoßen die Ringe vor sich her, folgen ihnen und jagen sie in eleganten Spiralen.
Dieses Verhalten ist nicht Teil der Futtersuche und dient keinem direkten Überlebenszweck. Vielmehr beobachten die Tiere selbstkritisch die Form und Qualität ihres Werkes und wiederholen das Ritual nur, wenn der Ring den eigenen ästhetischen Ansprüchen genügt. Für mich ein faszinierendes Beispiel dafür, dass Tiere Spiele nicht nur instinktiv, sondern aus ästhetischem Vergnügen betreiben.

2. Die Bauten der Laubenvögel – Vogelarchitektur als Kunstform
Bei den Laubenvögeln (Bowerbirds) sind es die Männchen, die kunstvolle „Lauben“ errichten und mit Blütenblättern, Früchten oder menschlichen Artefakten in präferierten Farben dekorieren. Einige Arten legen großen Wert auf Gegensatzpaare – Blau und Gelb, Rot und Grün – und arrangieren die Objekte in symmetrischen Mustern.
Diese aufwendigen Dekorationen dienen nicht allein der Balz, sondern scheinen ästhetischen Präferenzen zu folgen: Unterschiedliche Populationen favorisieren jeweils andere Farbkombinationen, und Männchen verwerfen Deko-Elemente, die nicht exakt ins Farbkonzept passen. Für mich zeigt das, dass selbst Vögel komplexe Farb- und Formvorstellungen haben.

3. Farbpräferenzen bei Primaten und anderen Säugern
Studien an Schimpansen und Kapuzineraffen haben ergeben, dass manche Tiere bestimmte Farben gegenüber anderen bevorzugen. So griffen junge Schimpansen gezielt nach roten Spielzeugen, während blaue Objekte seltener gewählt wurden. Auch bei Delfinen wurde eine leichte Präferenz für helle oder kontrastreiche Gegenstände beobachtet.
Diese Farbwahl ist nicht allein durch Nahrungsreize erklärbar, denn Futterobjekte in Experimenten wurden farblich neutral gestaltet. Vielmehr könnte hier ein ästhetischer Sinn am Werk sein – eine Vorliebe für bestimmte Farbwahrnehmungen, die unsere menschliche Ästhetik spiegelt.
4. Balzrituale als visuelle Performance: Paradiesvögel und Pfauen
Die spektakulären Balztänze von Pfauen und Paradiesvögeln sind weltbekannt. Doch neben den imposanten Körperfedern spielt die Choreografie eine zentrale Rolle: Die Männchen wählen präzise Bewegungsabläufe, um Lichtreflexe ihrer Federn zu inszenieren, und variieren ihre Darbietung je nach Weibchen.
Das Zusammenspiel von Farbe, Form und Bewegung lässt vermuten, dass auch hier ästhetische Gesichtspunkte eine Rolle spielen – nicht nur genetische Fitnesssignalisation, sondern ein echtes „Gefallen“ an der eigenen Präsentation.
5. Kuriositäten am Rande: Raben, Kraken und mehr
- Raben sammeln glänzende Objekte und ordnen sie manchmal auf ungewöhnliche Weise an – fast wie ein kleines Kunstprojekt.
- Kraken legen Muschelschalen dekorativ um ihre Höhlen und nutzen sogar Kokosnusshälften als „Inneneinrichtung“.
- Elefanten bestreichen Bäume mit bunten Erdfarben oder benutzen Pinsel-artige Äste, um sich selbst oder ihre Umgebung zu „verschönern“.
Diese vermeintlich spielerischen oder dekorativen Akte deuten darauf hin, dass Ästhetik im Tierreich weit verbreiteter ist, als man denkt.
Fazit
Mich begeistert an all diesen Beispielen, dass Tiere offenbar nicht nur zweckorientiert und rein instinktiv handeln, sondern auch ein Gefühl für Formen, Farben und spielerische Experimente besitzen. Ob wir das letztlich „Kunst“ nennen oder einfach „ästhetischen Sinn“ – es lohnt sich, genauer hinzusehen und das eigene Verständnis von Kreativität und Schönheit zu erweitern. Denn wenn ein Delfin mit seinen Blasenringen spielt oder ein Vogel seine Laube wie ein Künstler dekoriert, öffnet sich ein Fenster in eine Welt tierischer Faszination, in der Freude und Ästhetik Hand in Hand gehen.